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Wir treffen uns, wenn alle weg sind       

Ich mach mir eine Liste Probleme, die ich zu lösen habe: 1. Ich bin allein und weiß nicht, wo ich Leute treffen kann. 2. Leute sind wichtig, aber ich muss aufpassen, weil jeder ansteckend sein kann. 3. Eine Leiche sollte ohne Kühlschrank nicht länger als drei Tage herumliegen – bis dahin muss ich Omi Kalomi nach Desna bringen. 4. Ich muss ein Auto organisieren und weiß nicht, ob ich in drei Tagen fahren lerne. 5. Wenn ich ein Auto fahren kann, muss ich mir einen Plan machen, wie ich am besten nach Desna komme ohne angehalten und auf eine Auffangstation gebracht zu werden. Auffangstationen gleichen Endstationen, da darf ich nicht landen! 6. Ich muss einen Sarg besorgen. **** Jeder gute Koch sollte mindestens ein M im Namen haben. Das hat Herr Matula gesagt und alles, was Herr Matula gesagt hat, bewahrheitet sich früher oder später. „Wie heißt du?“, hat er gefragt, als ich vor drei Jahren zu ihm kam und mich um eine Lehrstelle bewerben wollte. „Mojmir Demeter“, sagte ich. Ich sagte es leise und undeutlich, aber das nützte nichts. „Zigeuner?“, fragte Herr Matula, laut und vernehmlich. Zwei Mädchen, die gerade Kartoffeln schälten, drehten sich um und glotzten mich an – als ob ich laut gefurzt oder etwas sehr Unanständiges gesagt hätte. „Dreimal dürfen Sie raten“, antwortete ich. Herr Matula schnitt die Zwiebel fertig, die er gerade in der Hand hielt, schob sie vom Brett in die Pfanne und schaute mich an. „Zigeuner, schwarz wie Kinderdreck“, grinste er. Normalerweise haue ich den Leuten dafür eine rein. Herrn Matula konnte ich keine reinhauen, weil er einen Meter neunzig groß war und bestimmt einen Zentner wog. Ich drehte mich um und ging zur Tür. Als ich fast draußen war, traf mich etwas am Kopf. Es war eine Kartoffel. Roh, hart und nass. Ich dachte zuerst, eines der Mädchen hätte sie geworfen, aber dann sah ich, wie Herr Matula sich die Hände an der Schürze abwischte. „Spiel nicht gleich die beleidigte Leberwurst. Hab ich etwa gesagt, dass ich Zigeuner nicht nehme?“

Das Buch wurde mit dem 

Friedrich-Gerstäcker-Preis 2008 

und mit dem Evangelischen 

Buchpreis 2008 preisgekrönt

Der Hauptheld dieser beunruhigenden Geschichte ist ein achtzehnjähriger Roma Mojmir Demeter. Er wuchs in einem Prager Kinderheim auf und machte Lehre als Koch.

Er verbringt den Sommer in den Bergen bei seiner Wahloma, die unheilbar krank ist, will aber nicht im Krankenhaus, sondern zu Hause sterben. Das Warten auf ihren unvermeidlichen Tod unterbricht plötzlich ein Drama, das die ganze Zivilisation betrifft. Die Pandemie einer mysteriösen Krankheit EBS ähnelt einer Pestepidemie im Mittelalter. Mojmír als einer der wenigen überlebt. Auch Jessica, ein sechzehnjähriges Mädchen, bleibt verschont. Die Beziehung zwischen ihr und Mojmir gleicht einer Beziehung zwischen zwei Schiffbrüchigen auf einer einsamen Insel. Die Welt nach der Pandemie ist nicht mehr die selbe wie früher, da haben andere Gesetze und andere Werte ihre Geltung.  

 

Patmos Verlag 2007

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