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Die Spur der Kälte 

Prag, kurz vor Weihnachten. Im verschneiten Garten liegt eine tote junge Frau, fast nackt, nur in erotische Wäsche gekleidet. Alles deutet auf einen Sexualmord. Komissar Holina versucht in die Kreise der toten Anh einzudringen. Die Ermittlungen führen ihn zuerst in die von Skandalen umwitterte vietnamesische Markthalle SAPA und zu den rücksichtslosen Konkurenzkämpfen der Händler, später in eine exklusive Nachtbar, wo junge Frauen im sparsamen erotischen Negligé die Gäste bedienen. Holina stößt auf eine ganze Reihe von Verdächtigen, aber erst dann, wenn er die Bekanntschaft mit der rätselhaften Schamanin macht und dem Ingenieur, der nicht einmal bis zehn zählen kann, begegnet, wird ihm klar, dass hinter dem Mord der schönen Vietnamesin etwas ganz Besonderes verborgen ist.

Braumüller Verlag 2025

„Anh, kommst du jetzt?“ „Gleich!“ „Nimm Tisch sieben. Dort hab ich dir Bürohengste hingesetzt“, informierte sie Vandas Stimme. „Es sind vier, sieht so aus, als ob sie Spendierhosen anhaben.“ „Ich bin in einer Minute bei ihnen.“ Vor der Tür eilten Schritte davon. Anh zog zum letzten Mal die Nadel durch den Saum, machte einen Knoten und biss den Faden durch. Sie testete, ob die geflickte Stelle hielt. Der rote Netzoverall kontrastierte effektvoll mit ihrer Haut und verdeckte genau so viel, dass sie sich nicht völlig nackt fühlte. Er sah attraktiv aus, aber es war billiger Krempel. Er war gerissen, kaum dass sie ihn übergestreift hatte. Morgen würde sie sich einen besseren kaufen. Sie konnte billigen Krempel nicht leiden, sie kam sich darin selber billig vor. Eilig zog sie ihre Wimpern nach und fuhr sich mit dem blutroten Lippenstift über den Mund, die Stelle, wo die Haarsträhne abgeschnitten war, verbarg sie unter dem Stirnband. Perfekt! Sie verließ die Umkleide, und während sie auf ihren hohen Absätzen in den Gastraum ging, justierte sie ihren Gesichtsausdruck nach. Was Andrej Knotek, die arme Sau, in den siebten Himmel beförderte, war für die Gäste der Niveau Bar nicht genug. Die hatten wirklich hohe Ansprüche. Darauf hatte Vanda sie gleich aufmerksam gemacht, als sie mit ihrem Angebot kam. „Oben-unten-ohne heißt nicht, dass du nackig Cocktails servierst und das war’s dann. Sie wollen was Außergewöhnliches erleben. Alles muss Hand in Hand gehen: Make-up, Gang, Parfüm, Intonation und Gesichtsausdruck. Gib ihnen das Gefühl, dass jedes Hinternschwenken und jedes Augenzwinkern ein persönlicher Extrabonus ist. Sie lieben Bonusse, deswegen gehen sie hierher und nicht in eine normale Kneipe.“ Anh wusste sehr gut, was hohe Ansprüche waren. Ihre waren ebenfalls hoch und sie zögerte nicht, für ihre Befriedigung auch etwas zu tun. Fleißig büffelte sie Rechtsvorschriften und Gesetzestexte, bereitwillig ging sie mit Knotek spazieren, machte ihm das Essen warm, diskutierte mit ihm über die Moral von Hänsel und Gretel, spielte mit ihm Mensch, ärgere dich nicht, und wenn er mal zu Geld kam, half sie ihm gern, es wieder loszuwerden. Es waren kleine Beträge, aber er verlangte auch fast nichts dafür. Es genügte ihm, wenn er ihr die Haare zerstrubbeln durfte, sich ein wenig an sie drücken, ihre Brustwarzen anfassen, in seine Hose abspritzen und sie busseln, wo sie ihm das erlaubte. Immer tat er nur das, was sie zuließ – ein fünfundvierzigjähriger Mann, der sich wie ein artiger Junge benahm. Bevor ihm der Unfall passiert war, musste er interessant gewesen sein. Etwas von seinem früheren Sexappeal war ihm nach wie vor geblieben. Übersetzung aus dem Tschechischen: Mirko Kraetsch

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