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Der Mann am Grund

Ein Leichenfund nahe Prag sorgt für Wirbel: Ein für seine sehr speziellen Methoden bekannter Polizist wird, tot in seinem Auto sitzend, auf dem Grund eines Baggersees entdeckt. Die Spuren führen den Prager Hauptkommissar Marián Holina und seinen jungen Kollegen unter anderem zu einem Marihuana-Züchterpärchen, einem renommierten Architekten und der Inhaberin einer Sprachschule. Der Kreis der Verdächtigen wird immer größer, das Zweierteam braucht Verstärkung. Holinas Geliebte Sabina, pikanterweise die Ehefrau eines seiner Kollegen, wird als Astrologin zu Rate gezogen.  

Braumüller Verlag 2018

Prag war auf der Karte der Spannungsliteratur in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts stets vertreten, meist in Polit-Thrillern, als Schauplatz mörderischer geheimdienstlicher Tätigkeiten. Mit dem Zusammenbruch des „Ostblocks“ änderte sich das – aber jetzt kehrt diese Stadt mit einem Paukenschlag als „Mord-Metropole“ zurück! Prochazkovas Krimi ist in einer sehr angenehmen Sprache verfasst, braucht den Vergleich gerade mit den skandinavischen Highlights nicht zu scheuen, führt einen beim lesen immer wieder auf`s Glatteis, und man ist permanent auf der ermittlungstechnischen Höhe des Kommissars, ja, ihm ab und an voraus. Dieses Buch ist ein Pageturner im besten Sinne, die Hochspannung hält bis zum Schluß, und ist ein „MUß“ für jeden Krimi-Fan, der Lust auf etwas völlig Neues und anderes hat! Und für Freunde von Fred Vargas und Jean-Christophe Grange….                      

 

Matthias Kesper, Thalia-Buchhandlung in Paderborn

Der Körper auf dem Obduktionstisch sah postmodern aus. Am Kinn und unter der Nase wuchsen Bartstoppeln. Zapletal hatte keine Muskeln aus dem Fitnessstudio, sondern von Natur aus breite Schultern und ei- nen Stiernacken, einen gestauchten Rumpf und kräftige Beine. Einen kurzen Penis. „Typisches Nordlicht“, befand Doktor Léblová. Bei ihren Ausführungen waren Anmerkungen und Kommentare nicht wegzudenken, die in andere Fachgebiete als die Pathologie gehörten. „Haben die Männer im Norden tatsächlich kleinere Gechlechtsorgane?“, fragte Diviš interessiert. „Ich dachte, das ist ein Aberglaube.“ „Nix Aberglaube – Evolutionsbiologie“, erläuterte Doktor Léblová. „Wo es kälter ist, da muss man mehr mit Wärme sparen. Das gelingt einem Körper mit kürzeren Ausstülpungen besser. Die Bewohner kälterer Gegenden – obwohl ich so meine Zweifel hab, dass wir noch dazugehören –, die haben im Durchschnitt auch kleinere Ohren als zum Beispiel Afrikaner.“ Unwillkürlich schauten alle auf Zapletals Ohren. Sie saßen weit oben, waren spitz und hatten fleischige Ohrläppchen. „Wann ist er gestorben?“, fragte Marián. „Die Totenstarre und die anderen Prozesse laufen im kalten Wasser mit anderer Geschwindigkeit ab als an der Luft“, gab der Assistent Volavka blasiert zum Besten, der schon mehrere Jahre lang mit Doktor Léblová arbeitete. So, wie er sich wichtig machte, erinnerte er Marián stark an seinen Cousin Fero, zu dem er von Kindesbeinen an eine komplizierte Beziehung hatte. Mit Fero konnte man sich nur verständigen, indem man ihm in saftigem Ungarisch den Marsch blies. Mit Volavka war das nicht so einfach. Er konnte nicht Ungarisch und war schnell beleidigt. In der Vergangenheit hatte ihn Marián mehrmals gebeten, sich direkt zur Sache zu äußern und nur zu sprechen, wenn er auch was zu sagen hatte. Eine zweifellos vernünftige Forderung, aber zur Verbesserung ihrer Beziehung hatte sie nicht beigetragen. Marián vermutete, dass sie auch heute nicht auf ihre unverbrüchliche Freundschaft anstoßen würden. „Hätte der Körper an der frischen Luft gelegen …“ Volavkas Stimme drang jetzt wieder an sein Ohr. „Hätte, hätte, Fahrradkette“, fiel er ihm ohne Umschweife ins Wort und wandte sich an Doktor Léblová. „Wann ist er gestorben?“ „Zwischen dreiundzwanzig Uhr und Mitternacht“, sagte sie, ohne Mariáns Unverschämtheit im Geringsten zu kommentieren.

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